Die Freiheit der Gewissen im Opus Dei

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allen Gläubigen der Personalprälatur gewidmet

© Oráculo

Zusammenfassung:

  1. Opus Dei – ein Krebsschaden
  2. Die Undurchsichtigkeit der Institution
  3. Die Missbräuche in der geistlichen Leitung:
    1. Vermischung zwischen Hierarchie und geistlicher Leitung
    2. Die Herrschaft der geistlichen Leitung über die unmittelbaren Untergebenen
    3. Die institutionelle Bürokratisierung der geistlichen Leitung
    4. Das ausdrückliche Verbot vertraulicher Mitteilungen
    5. Die verpflichtende Offenlegung des Gewissens
  4. Die Leitung als Herrschaft über die Gewissen
  5. Ein tatsächlicher Bruch in der kirchlichen Gemeinschaft
  6. Das notwendige Einschreiten des Heiligen Stuhles
  7. Anhang: Das Dekret Quemadmodum vom 17. Dezember 1890:
    1. Deutsche Übersetzung des Dekrets “Quemadmodum”.
    2. Der lateinische Originaltext (ASS 23 (1890-1891), S. 505-508)

Opus Dei – ein Krebsschaden

1. Von Beginn an hat das Opus Dei eine große Meinungsverschiedenheit und zahlreiche Diskussionen ausgelöst, die nicht nur von Sympathie oder Antipathie getragen waren, sondern über sein tatsächliches Wesen geführt wurden. Diese Tatsache ist natürlich eigenartig bei einer Vereinigung, die heute von der Kirche gesetzlich anerkannt ist und deren Statuten in ihren verschiedenen kanonischen Entwicklungsstufen immer öffentlich bekannt und anerkannt waren. Woher rühren also die Kontroversen? In den folgenden Zeilen wird der Leser ausreichende Gründe finden, um diese Frage zu beantworten.

Heute verteidigt sich die Personalprälatur selbst offiziell gegen die Beurteilungen, die viele Christen über sie machen, indem sie sich auf die kanonischen Approbationen durch die Autorität der Kirche berufen. Das ist ihr Gütesiegel oder der Beweis für ihre angebliche Transparenz. In vielen kirchlichen Milieus betrachtet man sie sogar als Vorbild, die sich durch die Treue zur Lehre der Kirche, die zahlreichen Berufungen und das Fehlen von Skandalen kennzeichnet. Dennoch möchte ich mit dieser Studie die innere Wirklichkeit des Opus Dei aufzeigen, die nicht diesem Image entspricht, das zum Großteil durch eine geschickte Politik von Beziehungen aufgebaut wurde, manchmal durch Lügen, denn nicht einmal seine interne Vorgangsweise kann durch eine Approbation des Heiligen Stuhles gerechtfertigt werden.

Es ist wichtig, das in diesem Augenblick anzumerken, um der Unterscheidungsgabe der zentralen kirchlichen Autoritäten zu helfen, die die Pastoral des Opus Dei bereits tief beunruhigt, denn nach und nach bemerkt sie die Abweichungen von der Morallehre der Kirche oder seine schweren Verfehlungen gegen die Vorschriften des allgemeinen Lehramts. Sicher ist jedenfalls, dass dieses Phänomen wahrgenommen wird, und die tieferen Wurzeln der Streitigkeiten und Vorbehalte, die das Opus Dei in so vielen Milieus weckt, beruhen gerade auf diesen Fehlfunktionen. Wir, die wir diese “kirchliche Realität” von Grund auf, von innen her kennen, wissen, dass diese “Fehlfunktionen” mit dem Moment der Gründung beginnen. Und das macht die Klärung durch einen ehrlichen und aufrechten Dialog doppelt schwierig, vor allem aber die Korrektur dieser Fehler.

Seit Beginn meiner Mitarbeit auf dieser Seite (www.opuslibros.org) habe ich versucht, die unglücklichen Aspekte dieser Realität aufzuzeigen, deren bessere Erkenntnis zu einer demütigen Korrektur und zu einer Anerkennung der Schuld führen, wenn man tatsächlich mit der Zustimmung Gottes rechnet, denn Gott gefällt diese Realität überhaupt nicht. Und seit meinen ersten Beiträgen habe ich von einer unangenehmen Angelegenheit gesprochen, die alles verstrahlt hat und von der ich schon als dem wirklichen “Krebsschaden des Opus Dei” gesprochen habe. Das ist kein Verrat von denen “drinnen” noch eine Verfolgung durch “Feinde von außen”, wie einige sich ausdrücken, zu denen sie, in Anbetracht ihrer Wirkung, auch diese Homepage rechnen. Wir haben keine Parteistellung in diesen Auseinandersetzungen, im Gegenteil: Wir suchen den Frieden mit allen und vor allem die Gemeinschaft mit allen Brüdern im Glauben.

Dieser Krebsschaden ist die systematische Verletzung der Freiheit der Gewissen an den Gläubigen des Opus Dei durch die verpflichtende Praxis, das Gewissen offenzulegen, die zur festen Einrichtung wurde und die nachher im Forum externum Bedeutung erhält. Nichts davon ist katholisch; ganz im Gegenteil, es ist von der Tradition und den Vorschriften der Kirche streng verboten, und zwar für alle Gläubigen, nicht nur für Gemeinschaften von Ordensleuten. Trotzdem haben die Autoritäten des Opus Dei, einschließlich seines Gründers, eine “Pastoral” für sich in Anspruch genommen und tun dies weiter, ihre geistlichen “Bildungsmittel”, so als ob sie Teil einer “göttlichen Offenbarung”, eines Charismas oder “Geistes” wären und die sie objektiv gesehen außerhalb der katholischen Kirche stellen oder sie, wenn sie schon dazugehören, zu einer “Parallelkirche” im Hinblick auf wesentliche Aspekte des christlichen Glaubens und seines Bildes vom Menschen machen.

Wie man sieht, handelt es sich um eine sehr ernsthafte Angelegenheit; und deshalb müsste von denen, die die Kirche Christi wirklich lieben, jede Anstrengung unternommen werden, dieses Themen in das Zentrum der Aufmerksamkeit und ans Licht zu bringen. Bei diesem Beitrag werde ich mich auf eine Beschreibung der Fakten beschränken, mit dem ausschließlichen Ziel, ihre Prüfung durch die Fachleute des Heiligen Stuhls zu erleichtern. Und wie diese Zeilen aus Liebe zur Einheit der Kirche geschrieben sind, sind sie auch in besonderer Weise den Gläubigen der Personalprälatur gewidmet, deren festen Willen, dem Apostolischen Stuhl treu zu sein, ich nicht in Frage stelle: Ich hoffe lediglich, dass er sich in Werken äußert. Filioli, non diligamus verbo nec lengua, sed in opere et veritate (I Joh 3,18): Kinder, lasst uns nicht dem Wort nach lieben, sondern im Werk und in der Wahrheit!

Die Undurchsichtigkeit der Institution

Obwohl die Prälatur “Opus Dei” Statuten besitzt, die vom Heiligen Stuhl approbiert worden sind, nämlich ihren besonderer Codex iuris particularis, erscheint ihre Vorgehensweise als Institution in keiner Weise transparent, weder für ihre Gläubigen noch für die Hierarchie der Kirche. Der Grund liegt darin, dass sich die Prälatur in Wirklichkeit nach einem Gemenge geheimer interner Normen richtet, die von der Kirche niemals geprüft und auch nicht anerkannt wurden, die ebenso wenig öffentlich noch veröffentlicht sind und die generell niemals als kanonische Normen formuliert worden sind. Es ist so, weil die Personalprälatur tatsächlich Gewohnheiten contra legem in wesentlichen kirchlichen Aspekten produziert, deren Befolgung sie ihren Gläubige als Ausdruck eines “göttlichen Willens” einimpft.

So spielt das Opus Dei ein doppeltes Spiel: Es zeigt hinsichtlich seiner Normen ein zweifaches Gesicht. Auf der einen Seite sind ihre internen “Normen” oder “Kriterien”, die in umfangreichen “Geheimschriften” festgehalten sind, die das wirkliche Leben ihrer Gläubigen formen, mit Vorschriften, die manchmal den allgemeinen kanonischen Bestimmungen der Kirche und den fundamentalen Rechten der Getauften heftig widersprechen; und auf der anderen Seite wird diese einzigartige “Disziplin” auf totalitäre und autoritäre Weise geltend gemacht, die der Vereinigung eine sektiererische Färbung verleihen, die dem Empfinden der kirchlichen Gemeinschaft fremd sind, denn diese Übergriffe werden namens der Institution verübt, als wären sie “göttliche Gebote” des Gründungscharismas.

Es haben bereits zahlreiche Personen seit einiger Zeit im Schoß der Institution diese internen Praktiken den Autoritäten der Prälatur angeprangert und auf ihrer Korrektur bestanden. Allerdings erweisen sich der Prälat und seine Direktoren allen Veränderungen gegenüber als unzugänglich, denn sie rechtfertigen ihre Vorgehensweise mit dem “Gründungscharisma”. Deshalb werden die Gläubigen, die abweichender Ansicht sind, gezwungen, die Prälatur zu verlassen, auch wenn sie ihre Tätigkeit und ihr Leben über Jahre hinweg der Institution gewidmet haben und auch wenn in einigen Fälle der Austritt bedeutete, in persönliche Armut zu geraten; besonders skandalös ist diese Situation im Fall der Numerarierpriester, deren Laisierung bedenkenlos durchgeführt wird.

Dieses Desaster im Inneren veranlasste in diesen letzten Jahrzehnten den Austritt von vielen Gläubigen aus der Prälatur, deren aufrichtiger Wunsch sich Gott hinzugeben nicht in Frage gestellt werden kann, ohne sie schwer zu beleidigen. Trotz allem zeichnen die Autoritäten der Prälatur weiterhin nach außen ein Bild des Wachstums und der konstanten Entwicklung, das nicht der wirklichen Lage entspricht. An verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeitpunkten wurden beispielsweise Angaben über die Zahl der Mitglieder gemacht, als ob sie in beständigem Wachstum wäre. Aber diese Daten widersprechen einander und entsprechen nicht der Wahrheit, sondern den konjunkturbedingten Notwendigkeiten, anderen gegenüber ein “Image” abzugeben. Hier gibt es einen deutlichen Hinweis, wie die Prälatur “Opus Dei” Jahre damit verbracht hat, Unwahrheiten über interne Fakten abzustützen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Zahl der Gläubigen.

Im Augenblick geben sich die Autoritäten der Prälatur die größte Mühe, gegenüber dem Heiligen Stuhl und den Bischöfen das Bild einer solide Organisation abzugeben, an deren Zuverlässigkeit aufgrund ihrer überreichen apostolischen Früchte nicht zu zweifeln ist, die ja gegebenenfalls der Beweis für das göttliche Wohlwollen wären. Aber die tiefe Krise, in der sich die Institution befindet, ist ein Faktum, und deshalb bleibt es nicht bei Lügen, um diese Wirklichkeit auf raffinierte Weise zu verschleiern, die man damit rechtfertigt, dass man das “Bild” nach außen hin wahren müsse. Ihre offenkundige Einheit oder ihre eiserne Disziplin erscheint eher als ein Koloss auf tönernen Füßen, denn dies verbirgt nur ein totalitäres Gebaren und eine Vorgangsweise, die mit kollegialen Leitungsformen überdeckt und getarnt werden. Aber weder diese Führungsweise noch die Pastoral der Prälatur sind in wichtigen und schwerwiegenden Aspekten durch die Normen des allgemeinen Kirchenrechts gedeckt.


4. Seit Monaten veröffentlichte ich ein Verzeichnis von internen “Dokumenten” - heutzutage pflegt man sie intern, in der Prälatur, als “Schriften” zu bezeichnen, die der kirchlichen Hierarchie unbekannt sind und die gewöhnlich die “besonderen Normen” in der Vorgangsweise zusammenfassen; denen, die sich im Vertrauen auf die Anerkennung durch den Heiligen Stuhl der Instutition annähern, werden daüber aber keinesfalls informiert. Diese Schriften erzeugen jene “rechtsfreie Regulierungssucht” (Von Oraculo steht hierzu in spanischer Sprache der Aufsatz: “El normativismo acanónico del Opus Dei” zur Verfügung; vgl. El normativismo acanónico del Opus Dei), die völlig abseits des allgemeinen Kirchenrechts steht. Eine Bestätigung dieses Faktums bedeutet es, dass vor wenigen Monaten eine übereilte Korrektur von “Druckfehlern” begonnen wurde, denn seitdem viele dieser Schriften auf unserer Internetseite (www.opuslibros.org)durchgesickert sind, wurde die Notwendigkeit erkannt, das wahre Gesicht der Institution zu übertünchen. So wurde zum Beispiel das “Vademécum del Gobierno Local” (“Hinweise für die örtlichen Räte), das erst 2002 herausgegeben worden war, durch “Experiencias de los Consejos Locales” (“Erfahrungen der örtlichen Räte”) ersetzt, denen man das fiktive Datum 19. März 2005 gegeben hat, das nachweislich falsch ist. Vielleicht ist das das neue Image, das man angesichts der Ermahnung durch die Glaubenskongregation präsentieren möchte?

Die Tatsache ist, dass man sich nach innen so verhält, als hätte man völlige Freiheit von den Vorschriften des Kirchenrechts abzusehen und ohne Kontrolle durch die Hierarchie, indem man den Augenschein wirken lässt, wie es gerade passend erscheint, um “die Dinge von immer” aufrechtzuerhalten. Das Werk, so denkt es und so sagt es das auch, wird niemals eine Erneuerung brauchen. Man versteht daher, wie gefährlich es für die Christgläubigen erscheint, weil die statutarische Form der Personalprälatur, die von Rom erreichtet wurde, als Ausrede und Tarnung für eine autoritäre Leitung dient, die selbst außerhalb jeder Kontrolle steht und in der Lage ist, die Gewissen zu kontrollieren. Und noch gefährlicher erscheint dies für die Gläubigen des Opus Dei, da sie von ihren Direktoren dergestalt geleitet und gebildet werden — vielleicht sollte man eher sagen, “indoktriniert” und “desinformiert”—, dass die Bindung an die Institution sie angesichts der Missbräuche wehrlos lässt. Wenn man den Inhalt des Codex iuris particularis(den “Statuten des Opus Dei”) mit dem Catecismo de la Obra(“Katechismus des Werkes”) vergleicht, ist der Unterschied in so gewichtigen Dingen wie der geistlichen Leitung oder der Art, in der der Proselytismus ausgeübt wird, eklatant. Man kann also die Undurchsichtigkeit der Leitung dieser Prälatur gegenüber ihren eigenen Mitgliedern und gegenüber der Mutterkirche nicht leugnen. Da es hier nicht möglich sein kann, das Thema erschöpfend zu behandeln und da der Krebs viele Metastasen entwickelt hat, werde ich mich heute auf seinen Kern beschränken, auch wenn ich Gedanken oder Fakten wiederholen sollte, die bereits auf anderen Beiträgen dieser Seite kommentiert wurden.


Die Missbräuche in der Geistlichen Leitung

5. Von Anfang an hat man im Opus Dei die verpflichtende Trennung zwischen dem “Forum externum” und dem “Forum internum” nicht respektiert, also dem Bereich der Leitung auf der einen Seite und dem der rechtmäßigen Autonomie der Gewissen auf der anderen Seite, und das, obwohl diese Trennung eine Grundlage im Leben der Kirche darstellt. Um diese Tatsache zu beweisen, genügt es zu überprüfen, wie man die persönliche geistliche Leitung der Gläubigen der Prälatur versteht und durchführt. In der Praxis konkretisiert sich dies in der “Aussprache” oder dem “Brüderlichen Gespräch”, das Prieser und Laien ohne Unterschied mit den Direktoren des Opus Dei führen, um ihnen ihr Inneres zu eröffnen.

Was sagen die Statuten des Werkes darüber? Sie sind auffallend nüchtern, denn sie erwähnen das Thema nur in Nr. 83 §2: “Die Askese und der Geist der Buße, den die Gläubigen des Opus Dei üben, bringt auch andere Erfordernisse des Lebens der Gläubigen in der Prälatur mit sich: vor allem die Übung der täglichen Gewissenserforschung, der geistlichen Leitung und der sakramentalen Beichte.”

Andere Stellungsnahmen zu diesem Themen fehlen in diesem Codex iuris paricularis völlig, kraft eines Verständnisses des Ausdrucks der “geistlichen Leitung” im üblichen Sinn der spirituellen Tradition der Kirche. Dieser Begriff wurde vom kirchlichen Gesetzgeber, der diese Norm festgesetzt hat, in einem einzigen Sinn angewandt, und deshalb müsste eine geistliche Leitung mit allem Respekt vor den kanonischen Vorschriften des allgemeinen Kirchenrechts durchgeführt werden, die diesen Gegenstand geregelt hat: unter anderem, aber vor allem im Dekret Quemadmodum vom 17. Dezember 1890, gestützt auf seine Terminologie und unmissverständlich hinsichtlich der Morallehre und des päpstlichen Willens. Wegen seiner überragenden Bedeutung fügt diese Studie am Schluss diesen Text als Anhang im lateinischen Original und in einer deutschen Übersetuung bei, damit sich die Gläubigen der Personalprälatur in ihren Inhalt vertiefen können.

Werden im Opus Dei die allgemeinen und nach wie vor gültigen Vorschriften aus Quemadmodum von Leo XIII. ernst genommen? Gewiss nicht. Die Lektüre von Punkt 209-222 des Catecismo de la Obra (“Katechismus des Werkes”, 7. Aufl. 2003) zeigt hier eine “Verständnisweise” der “persönlichen geistlichen Leitung”, die in Nr. 83 §2 der “Statuten” erwähnt werden, die sich sehr von dem unterscheiden, was die Kirche immer darunter verstanden hat. So wird beispielsweise, ohne schamrot zu werden, erklärt, dass die persönliche geistliche Leitung “Angelegenheit der Institution” ist, nicht der Personen, die die ihnen Anvertrauten geistlich begleiten. Mehr noch, man pflegt zu sagen, dass dieser Bereich ganz eigentlich zu den Leitungsfunktionen der Direktoren gehören, die diese ausüben, da die persönliche Leitung nicht mehr als ein Aspekt der “spirituellen Bildung” ist, die die Institution erteilt. Ebendeshalb verweigert man auch den Gläubigen die Freiheit, sich ihre geistlichen Berater auszusuchen, da diese allein schon durch ihren Leitungsauftrag dazu bestimmt wurden.

Es erscheint unglaublich, aber die Dinge werden auf diese Weise durchgeführt. In diesem Punkt kann man nicht zur Tagesodnung übergehen – für das Opus Dei bleibt kein Ausweg aus ein Schuldbekenntnis zu sprechen und, vor allem anderen, hier eine Korrektur vorzunehmen. Und damit sich niemand darauf hinausreden kann, ich hätte die Wirklichkeit missverstanden oder verdreht dargestellt, werde ich diesen Kern meiner Aussagen auf andere Weise darstellen, das heißt, in seinen Konsequenzen, und außerdem, indem ich einige Erklärungen verwende, die in den “internen Schriften” nachzulesen sind, in denen das Opus Dei seine eigene spirituelle Praxis beschreibt. Darin lassen sich mindestens fünf schwere Missbräuche nachweisen, die dem geltenden Kirchenrecht entgegenstehen und die vor allem den sicheren Lehren des II. Vatikanischen Konzils über die menschliche Person widersprechen.

Vermischung zwischen Hierarchie und geistlicher Leitung

6. Entsprechend dieser Praxis im Werk gehört die persönliche geistliche Leitung ganz eigentlich zu den Leitungsfunktionen der Direktoren gehören, oder, genauer gesagt, sie identifiziert die letzten mit der ersteren, als wären sie homogene Materien, und diese Vorgangsweise beseitigt die Unterscheidung zwischen Forum iternum und externum. Es gibt “Geheimschriften” der Prälatur, die deutlich beweisen, wie man an jene Dinge herangeht.

Das Vademécum de sacerdotes (“Hinweise zu den Priestern”, Rom 1987) beispielsweise drückt sich in eben jenen Termini aus: “Im Opus Dei kommt die geistliche Leitung in erster Linie den örtlichen Direktoren zu, Laien, mit denen auch die Priester ihr brüderliches Gespräch halten; dann den Priestern des Werkes durch die sakramentale Beichte. Die Priester wissen, dass sie, um in der persönlichen geistlichen Leitung der Gläubigen der Prälatur effizient mitzuarbeiten, normalerweise in allem den Anweisungen zustimmen müssen, die die anderen im brüderlichen Gespräch erhalten; nur eine völlige Übereinstimmung zwischen beiden Ratschlägen garantiert eine angemessene geistliche Leitung der Personen des Werkes (S. 41). Überrascht es nicht, dass die Ausübung des priesterlichen Dienstes in der Materie der Heiligung sich den Anweisungen einiger “Direktoren, die Laien sind”, unterwerfen muss, die nach den Normen des Kirchenrechts, nicht einmal die sacra potestas (die sakrale Gewalt) des Prälaten oder seiner Vikare erhalten können, sondern höchstens nur cooperari possunt, “mitarbeiten können”: vgl. CIC-83 c.129?

Ein weiterer Text bestätigt ebenfalls, dass sich die Dinge so verhalten. Zieht man die wirtschaftlichen Belange in Betracht, so sagen die Experiencias de las labores apostólicas (“Erfahrungen über die apostolischen Arbeiten”) von 2003: “Die örtlichen Räte bearbeiten diese Angelegenheiten mit besonderer Sorgfalt und wachen — durch das brüderliche Gespräch— darüber, dass sich die Betroffenen in jedem Augenblick wie die Väter einer armen, aber kinderreichen Familie verhalte, hinsichtlich des Ertrags ihrer beruflichen Arbeit ebenso wie der Loslösung; Sorgfalt und Nüchternheit im Gebrauch der materiellen Güter, die sie für die Erledigung ihrer Arbeit brauchen: Büros, Autos, Reisen etc. Besonders müssen sie allen konkret zu verstehen geben, dass die Freiheit in der beruflichen Tätigkeit immer eng mit der vollen und wirksamen Loslösung in den materiellen Gütern verbunden ist und mit einer Hingabe ohne Rückhalt und ohne Bedingungen” (S. 68). Man beachte, dass der gute Zweck der Leitung durch das brüderliche Gespräch (die persönliche geistliche Leitung) gesucht wird, als wäre dieses ein Instrument, das man für die wirksame Erreichung der Ziele der Institution nutzen könnte.

Ist es von kirchlicher Seite zulässig, dass das heikelste Mittel der geistlichen Leitung als “Hilfsmittel” betrachtet werden kann, um die Wirklsamkeit von Anweisungen der Leitung zu überwachen, wie gut sie auch sein mögen? Ist vielleicht dies die Art und Weise, was die Kirche darunter versteht, dass ihre sacra potestas (“heilige Gewalt”) den Menschen dient? Offensichtlich nicht. Es ist ebenfalls evident, dass die Missgriffe, die eine institutionalisierte Manipulation begünstigen, nicht möglich wären, wenn die geistliche Leitung im Opus Dei von der hierarchischen getrennt wäre — wie es auch geschehen müsste.

Die Herrschaft der geistlichen Leitung über die unmittelbaren Untergebenen

7. Im Zusammenhang mit dem zuvor gesagten obliegt nach der im Opus Dei ausgeübten Praxis die Erteilung der geistlichen Leitung immer dem Direktor über seine ihm unmittelbar Untergebenen. Der Catecismo de la Obra (“Katechismus des Werkes”, 7. Aufl. 2003) sagt tatsächlich wörtlich: “In Übereinstimmung mit ihrer inneren Verfügbarkeit üben die Direktoren und Priester des Werkes die persönliche Geistliche Leitung aus.” (Nr. 215). Und im Vademécum del Gobierno Local (“Hinweise zu den örtlichen Räten”, 2002) werden diese Dinge beispielsweise wie folgt spezifiziert: Im Allgemeinen werden die brüderlichen Gespräche der Personen des örtliches Rates, so wie die der anderen Personen, die einem Zentrum zugeschrieben sind, im eigenen Zentrum abgehalten; in jedem Fall erwägt der örtliche Rat und trifft die Entscheidung, die ihm passender erscheint (S. 98). Das Prinzip der Freiheit im Gebiet der geistlichen Leitung und der sakramentalen Beichte, das von Kanon 630 des gültigen lateinischen Codex geschützt wird, wird durch diesen einzigartigen “besonderen Vorbehalt” ernsthaft gefährdet gefährdet, der das Gebiet der geistlichen Leitung den Direktoren über ihre unmittelbaren Untergebenen zuweist, und noch weiter, weil dieser Vorbehalt im Interesse des Leitungsaufrags geschieht.

Deshalb beeilten sich die neuen [[Experiencias de los consejos locales, Roma, 2005|(“Erfahrungen mit den örtlichen Räten, datiert 2005, S. 84-89) die tatsächliche Vorgangsweise der Prälatur zu verschleiern, indem sie die Redaktion von 2002 vollständig umarbeiten in der Weise, dass ihr Wortlaut nicht so deutlich den normalerweise geübten Missbrauch in der gewöhnlichen Pastoral deutlich machen. Allerdings wissen alle Gläubigen der Prälatur — oder alle, die ihr einige Zeit hindurch angehört haben — , dass die tatsächliche interne Realität dem entspricht, was hier beschrieben wurde.

Die institutionelle Bürokratisierung der geistlichen Leitung

8. Die “geistliche Leitung” ist also auch eine “bürokratische” Aufgabe, sie ist Gegenstand und Aufgabe der “institutionellen rganisation” des Opus Dei. Und das zeigt sich in aller Schärfe wenn gesagt und auch ausgeführt wird, dass die Direktoren im Verkehr mit ihren Vorgesetzten von der heiligen, naturgemäßen Verpflichtung zur Vertraulichkeit darüber entbunden sind, was sie in den “brüderlichen Gesprächen” gehört haben. Mit dieser Verletzung der Intimsphäre entartet das, was eine “persönliche” geistliche Leitung sein sollte. Vielleicht ist diese Angelegenheit eine der schwerwiegendsten und die Ursache dafür, dass größere Missbräuche entstehen, die auf noch schlimmere Weise die grundlegende Ehrfurcht verletzen, die den Gewissen geschuldet wird, die in der Lehre der Kirche verkündet und von ihrer kanonischen Praxis geschützt wird.

Ein Text aus dem Vademécum del Gobierno Local (“Hinweise zu den örtlichen Räten”, 2002) spricht mehr als andere für sich: ”Gegenstände, die man ufgrund eines Auftrags erfahren hat, werden, wie es nur logisch ist, nur den Personen gegenüber mitgeteilt und kommentiert, die sie, ebenfalls aufgrund eines Auftrags, wissen müssen. Wenn ein Arzt oder Anwalt ein selbstverständliches Berufsgeheimnis — die Amtsverschwiegenheit — über alle Gegenstände einhalten, die sie aufgrund ihres Berufes erfahren, müssen diejenigen, die sich um die Aufgabe der der geistlichen Leitung oder Bildung der Seelen bemühen, mit viel mehr Grund dieses Stillschweigen bewahren (S. 14). Das heißt, wenn man im gegenteiligen Sinn argumentiert, es wird vorausgesetzt, dass diese vertraulichen Themen denen gegenüber kommentiert werden können, “die sie aufgrund ihres Auftrages wissen müssen”. Und wer sind diese? Die übergeordneten Direktoren.

[Wird fortgesetzt]