Offener Brief zum Tod des Priesters Danilo Eterovic

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Autor: Wilhelm Pfeistlinger


Ich habe ihn nie kennenlernen dürfen, weder während meiner zehn Jahre Mitgliedschaft im Opus Dei noch danach: Danilo Eterovic Garett, erstes bolivianisches Numerariermitglied, später Priester der Prälatur Opus Dei, warf sich im März vergangenen Jahres in der argentinischen Hauptstadt, in der er seit längerer Zeit gelebt hatte, vor einen herannahenden Zug; ein Selbstmord, der dankenswerterweise mit der entsprechenden Dokumentation belegt und durch Agustina auf der Website www.opuslibros.org ein Jahr nach diesem schrecklichen Ableben bekanntgemacht wurde. Von den kaltschnäuzigen Reaktionen der „Brüder von zuhause“ den Behörden gegenüber abgesehen, enthält die Dokumentation ein Schriftstück, das man als Abschiedsbrief von Padre Danilo bezeichnen kann: einen Briefumschlag, auf dem offensichtlich in größter innerer Erregtheit hingekritzelte Schriftzüge des Priesters zu erkennen sind, einige wenige, doch völlig unmissverständliche Worte, wobei vor allem deren Ende hervorsticht: „P. Jorge sagte mir: keine Aufträge von Sankt Rafael – Sankt Michael – Sankt Gabriel mehr[1] --) ich werde zurückgestoßen / ich bin sehr KRANK / ich weiß nicht, wie ich so weit gekommen bin.“ Der Tod dieses Priesters, mehrfach kommentiert auf nämlicher Website, darf nicht weiterhin beschönigt, vertuscht, ignoriert oder totgeschwiegen werden. Sein Aufschrei in der dunklen Nacht seines Körpers, seiner Seele, seines Geistes, die ihn sich vor den Zug in Buenos Aires werfen ließ, muss aus zahlreichen Gründen gehört werden und Konsequenzen zeitigen:

  1. Es handelt sich keineswegs um einen besonders tragischen Einzelfall. Für die österreichische Region sei hier nur kurz an DDr. Johannes B. Torelló erinnert, den außergewöhnlichsten Priester des Werkes, den ich kannte; er hielt tapfer durch und aus, tat diesen letzten, mutig-feigen Schritt nicht, machte aber weder aus dem Elend seines Körpers noch aus den blutenden Wunden seiner Seele, aus der Enttäuschung durch die „Seinen von zuhause“ ein Hehl.
  2. Es handelt sich um keinen Einzelfall, sondern eher um die Spitze eines Eisbergs der Selbstmorde, die – um beim Bild zu bleiben – unübertrefflich klar, schonungslos und mit dokumentierter Nachvollziehbarkeit aus dem Meer des Leidens innerhalb des „Werkes Gottes“ herausragt. Nicht nur, dass der betroffene Numerarierpriester nur die dunkle Nacht nicht gescheut hatte, sondern er sah die über ihn von seinen Direktoren im Opus Dei offensichtlich mit äußerster Lieblosigkeit verhängte Finsternis als zumindest von Gott zugelassen, wenn nicht gottgewollt an, worin die einzige Verwirrung des wohl höchstangesehenen, verehrten Priesters ausgemacht werden kann, der – so offiziellen, im besonderen aber auch informellen Äußerungen zufolge- sogar im Ruf der Heiligkeit stand. Die letzten von ihm überlieferten Worte sind schriftlicher Natur: „No sé como llegué a todo esto.“ – ein Aufschrei nichtwissender Luzidität, absoluter Enttäuschung viel mehr als Ausdruck von Verzweiflung oder gar Verwirrung, insbesondere, wenn man ihn im Zusammenhang mit den anderen kargen Zeilen dieses „Abschiedszettels“ sieht. Padre Danilos Gehorsam ging bis in den Tod, er machte auf eine schreckliche Art die potentiellen Scheußlichkeiten von Aussagen des Gründers des Opus Dei wie „El Opus Dei es el mejor sitio para vivir y para morir“[2] wahr und führte sie zugleich ad absurdum: die radikale – christusförmige - Verlassenheit, die sich nur mehr in die Hände Gottes werfen konnte und diese in den Zugschienen gesehen haben mag (Doch: Bekennen wir nicht im Hochgebet der hl. Messe, dass Er „sich aus freiem Willen dem Leiden unterwarf“, wo verlaufen denn da die Grenzen? - man argumentiere jetzt nicht scholastisch, sondern biblisch!); ein Priester, der in seiner Hingabe das Märtyrertum nicht scheute, ein Priester, der die Selbsttötung dem Scheintod vorzog, ein Priester, der es vorzog, der Enttäuschung nicht durch Wiederenttäuschung, mit anderen Worten durch Täuschung zu begegnen, ein wahrer Mensch, der sich in seinen Möglichkeiten zu lieben offensichtlich derart eingeschränkt, abgewiesen (rechazado) sah, dass er lieber in den Tod ging, als das Liebesgebot zu verletzen: ECCE HOMO!
  3. Das Opus Dei leugnete einmal mehr die Tatsachen, verballhornte die Todesursache und gedachte zugleich des Toten, als wäre er eben einen heiligen Tod im Sinne der Prälatur gestorben und als hätte er nicht Selbstmord begangen, den Frei-Tod im Sinne Gottes gewählt; dieselbe Heuchelei, die Escrivá zum Heiligen der Altare hochstilisierte – der er, bei aller möglicher persönlichen Heiligkeit wohl mangels universeller Vorbildhaftigkeit nur sehr beschränkt war -, ohne nach rechts oder links zu blicken; dieselbe Heuchelei, die ständig Probleme psychischer und/oder physischer Art innerhalb der Prälatur ausblendet und sodann konsequent bis zum bitteren Ende derer, die Hand an sich legen, durchgehalten wird (werden muss?). Padre Danilo Eterovic , ein Selbstmörder, dem man, wie die im Werk Gottes so gern gepredigte vermeintliche allgemein verbindliche Moral der Kirche sie allen Selbstmördern nicht vorenthalte, die Möglichkeit der Reue im letzten Moment zubilligt? So wie etwa dem im KZ Flossenburg einige Tage vor Kriegsende hingerichteten protestantischen Pastor Dietrich Bonhoeffer man – ein „Priester“ des „Werkes“ im Original zitiert – „durchaus zugesteht, für eine gute Sache gelitten zu haben, gestorben zu sein und daher auch die eigenen Chancen selbst als Protestant in den Himmel zu kommen‘ erhöht zu haben, aber aus diesem theologischen Wirrkopf einen Heiligen zu machen, ist wohl zu viel des Guten!“. Wie herrlich die leuchtende Freiheit der Gotteskinder Danilo Eterovic und des unrechtgläubigen Dietrich Bonhoeffer! Wie beklemmend die Düsternis des Heiligenscheins von Escriva de Balaguer!
  4. Die Häufigkeit solcher und ähnlicher Fälle, die stets demselben Schematismus unterliegen, respektive deren öffentliche Wahrnehmung, wächst: Probleme innerhalb des Opus Dei, Probleme mit ihm, Verhinderung bzw. systemimmanentes Hindernis, diese klar und offen zu artikulieren, Marginalisierung der Personen, Vertuschung der Möglichkeit der Entstehung von Problemen (!) – mithin Nichtanerkennung der Bedingungen ihrer negativen Potentialität, psychosomatische Erkrankungen, Ratlosigkeit auf beiden Seiten, medikamentöse Symptomunterdrückung, schließlich Psychiatrierung, denn das „Werk ist wie eine gute Mutter“ und „wir werden nie ein ‚aggiornamento‘ brauchen“ oder „schon wieder dieser kritische Geist“; gegen- und wechselseitige Aufschaukelung all dieser Momente, in extremis usque ad mortem.
  5. Das impliziert aber, dass
    1. es sich um ein Problem des „Systems“ und nicht nur um persönliche Fehler involvierter Personen handeln muss, und zwar weder auf der Seite der Betroffenen noch jener der Direktoren, die natürlich verstärkend wirken können, oder
    2. die behauptete Übernatürlichkeit der „übernatürlichen“ Familie im Opus Dei eine eigenartig naturalistische sein muss, zumal die Selbstmordrate, die Rate der Psychisch Kranken und die der Verzweifelt-Verbittert-Unglücklichen eine selbst im Vergleich mit dem Rest der Gesellschaft eher hohe sein dürfte (würde das Opus Dei Zahlen herausrücken, könnte man diese Behauptung empirisch verifizieren …); vor allem hat eine Familie, die sich auf übernatürliche Bande zu stützen meint und sich korrekterweise auch nur auf solche stützen kann, wohl doch einen höheren Anspruch an sich und an die Beseitigung von Problemen zu stellen Im Opus Dei passiert genau das Gegenteil, wenn etwa pseudorechtfertigende Behauptungen zur Exkulpierung herangezogen werden wie: „Solche Dinge ereignen sich in jeder Familie“ (Lautet das Wort des Herrn nicht: „Du Heuchler, zieh am ersten den Balken aus deinem Auge; darnach siehe zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!“ – Mt. 7,3).


Das Verhalten des Opus Dei ist ein wahres „Skandalon“. Es schreit zum Himmel und ruft allen heiligen Zorn selbst in einem Menschen herauf, der, wie ich wirklich beteuern kann (und jeder, der mich ein bisschen kennt, wird es bestätigen) eher von sanfter, nicht aufbrausender Natur ist, was wohlgemerkt wertfrei gemeint ist. Ich dachte, die Thematik meiner Mitgliedschaft im Opus Dei längst bei anderer Gelegenheit abgearbeitet zu haben. Selbst jetzt sträubt sich alles in mir bis auf den Zorn, diese Zeilen verfasst zu haben und im besonderen sie zu veröffentlichen. Außer diesem Zorn ist einzig die Hoffnung verblieben, dadurch zum Besseren beitragen zu können, lediglich sie habe ich dem Widerstreben entgegenzusetzen. Der Glaube, dass das Opus Dei sich ändern, ehrlich werden, aus seinen Panzerungen und Maskeraden heraustreten könnte und wenigstens eine Mitschuld nicht unmittelbar beteiligter Systembürokraten eingestehen, mit anderen Worten bekennen könnte, dass hier ganz starke Elemente „struktureller Sünde“ vorliegen, ist bis auf sein letztes Fünklein – die Hoffnung (spes contra spem) - geschwunden.

Don Danilo Eterovic aber ruht bereits im Frieden seines Gottes, der ihn heimgeholt hat, indem Er ihn heimgehen ließ. Er ist uns vorausgegangen in das goldene Reich der Schatten, wie es der große spanische Dichter José Angel Valente genannt hat – el dorado reino de las sombras. Danilo Eterovic möge mein und aller Fürsprecher sein: derer, die Gott suchen, derer, die meinen, Ihn im Opus Dei oder außerhalb des Opus Dei gefunden zu haben, und nicht zuletzt jener, die Ihn wirklich gefunden und die Pilgerschaft des Erdendaseins noch nicht beendet haben.




  1. Die drei Erzengel stehen für die Arbeitsbereiche des Opus Dei: St. Rafael für die Arbeit mit Jugendlichen vor allfälligem Beitritt, St. Michael für die Arbeit mit den Numerariern, die sich zu einem ehelosen Leben verpflichten und denen im großen und ganzen die Leitungsaufgaben anvertraut sind; St. Gabriel für die Arbeit mit den Supernumerariern
  2. „Das Opus Dei ist der beste Ort zu leben und zu sterben.“