Die narzisstische Persönlichkeitsstörung des Gründers des Opus Dei

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Autor: Marcus Tank

INHALT:
1. Ein unerklärtes Phänomen.
2. Die zufriedenstellende Erklärung.
3. Grundlagen der Diagnose.
4. Die Beschreibung der narzisstischen Störung des José María Escriba:
a) Grandiose Selbsteinschätzung.
b) Sorge um Erfolgsfantasien.
c) Glaube an die eigene Einzigartigkeit.
d) Einforderung exzessiver Bewunderung.
e) Irrationale Angeberei.
f) Ausbeutung sozialer Beziehungen.
g) Fehlen von Empathie.
h) Besondere Tendenz zum Neid.
i) Arroganz.
5. Zusammenspiel mit anderen psychischen Störungen.
6. Schlussfolgerungen.

Nicht wir sind der Mittelpunkt unserer Predigt, sondern Christus, der Herr! Wir sind nur eure Diener, und das aus Liebe zu Jesus. (II Kor 4, 5)


Ein anderer Artikel (Es el Opus Dei un fraude total? por Marcus Tank, 4 de mayo de 2007) hat meine Fassungslosigkeit angesichts der Versicherung gezeigt, dass das Opus Dei übernatürlichen Ursprungs sei. Dieses Misstrauen basiert darauf, dass ich keine echte, authentische und tragfähige Spiritualität im “Werk” sehe, und ich erkenne in der Praxis der Organisation nicht die Art, die zu den Werken Gottes passt, nämlich die, die Gott handeln lässt und es erlaubt ihn in eigenständiger Freiheit zu hören, in Demut und Liebe. Und das ist kein unbedeutender Aspekt.

Ganz im Gegenteil, was ich beobachte, ist systematische Lüge und Betrug, das Fehlen von Transparenz und eine starke Tendenz zur Herrschaft über Personen, indem die intimsten Freiheiten planmäßig mit Füßen getreten werden, eine utilitaristische und augendienerische Beziehung zur kirchlichen Autorität und von Anfang an das Fehlen eines klar definierten “Geistes”, denn dieser hat sich je nach Zeitumständen, Momenten und Gewohnheiten nach und nach verändert.

Alle diese Gründe, und einige andere, die man noch hinzufügen könnte, lassen in mir den Verdacht aufkommen, dass das Phänomen “Opus Dei” eine bloße menschliche Erfindung mit eigenartiger Motivation ist, die man schwer auf Gott zurückführen kann, sobald man den ersten Eindruck hinter sich gelassen hat, den man bekommen sollte; in diesem “Werk” sieht man nicht die wahren Zeichen Gottes.

Nun gut, auch wenn es so sein könnte, soll man nicht von vornherein ihren Verkündern den guten Willen absprechen, aber auch keine Impulse in den Ursprüngen seiner Gründung, die von oben inspiriert sind und die mehr oder weniger gut vermittelt wurden.

Ein unaufgeklärtes Phänomen

Ich weiß nicht, ob sich alle bewusst sind, bis zu welchem Punkt diese Internetseite (www.opuslibros.org) in den letzten Jahren dazu beigetragen hat, Klarheit über den das Lehrgebäude zu schaffen, das sich das Opus Dei, nicht ohne Stolz errichtet hat, und an seinen Grundfesten zu rütteln, wie bei dem Riesen mit den tönernen Füßen, von dem das Buch Daniel spricht.

Schon seit Jahren haben zahlreiche Mitarbeiter dieser Seite versucht, eine logische Erklärung dafür zu finden, was das Opus Dei ist und was in ihm vor sich geht, denn wir fühlen uns von der Wirklichkeit dieser Institution existenziell betroffen, die unsere Lebensgeschichten betsimmt hat. Jeder einzelne hat, wie es normal ist, seine besondere intellektuelle Laufbahn hinter sich, und wir sind früher oder später zu unseren eigenen Schlüssen gekommen. An dieser Stelle möchte ich besonders E.B.E. erwähnen, denn mit seiner dankenswerten Hellsichtigkeit kann er als Pionier in diesen Bestrebungen gelten.

Von meiner Seite aus bekenne ich, dass ich vom kognitiven Gesichtspunkt aus Fortschritte erzielen konnte mittels einer kritischen Reflexion über offenkundige Realitäten und verborgene Fakten. Deshalb musste ich mein übertriebenes Vertrauen in die Institution Opus Dei überwinden, das in der erhaltenen dogmatischen oder fanatischen Bildung seinen Ursprung hat, um zu einer Sicht der Dinge zu gelangen, die mehr dem Glauben entspricht: eine Arbeit, die natürlich keinen polemischen Charakter hatte, sondern ganz im Gegenteil, eine kritische Aktivität des Intellekts bedeutete.

Auf jeden Fall ist es sicher, dass ich den Dingen nicht ganz auf dem Grund kommen und kohärent erklärten konnte, was vom phänomenologischen Gesichtspunkt her so schwierig erscheint. Aber schließlich glaube ich eine befriedigende Antwort gefunden zu haben, das soll heißen, ich glaube, dass ich damit den Kern gezeigt habe, der alles erklärt, was bisher im Opus Dei geschehen ist und was noch weiterhin geschieht

Eine hinreichende Erklärung

Die beständigenUngereimtheiten, die wir in dieser Institution, in ihren Worten und Werken entdecken, die theologische Oberflächlichkeit in ihrer Erklärungsweise, die flagranten Widersprüche, wenn nicht die Abweichung in der Rechtgläubigkeit stellen nicht, wie es bei etwas vereinfachter Sicht scheinen könnte, ein doktrinelles oder historisch-kulturelles Problem Spaniens dar, in dem diese Gründung entstanden ist, sondern alles das erklärt sich einzig aus der Mentalität und der persönlichen Bildung Escrivás, und diese Erklärung ist zur selben Zeit einfach und beklemmend.

Um das zu erklären, was mit dem Opus Dei geschieht, reichen absolut keine historischen, theologischen oder kanonischen Erklärungen. Es existiert meiner Auffassung nach eine einzige zufrieden stellende Erklärung: die “pathologische” Persönlichkeit des Gründers oder, anders ausgedrückt, die Pathologien seiner Persönlichkeit. Man kann mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass das Opus Dei das Geschöpf seines Gründer und Ausdruck seiner Persönlichkeit ist: das Opus Dei ist mehr opus Iosephmariae als opus Dei. Wenn wir es unter diesem Gesichtspunkt betrachten werden die Ungereimtheiten seiner realen Erscheinung plötzlich verständlich, und die Teile des Puzzles passen perfekt zusammen.

Aber sehen wir uns einmal die Gründe an, die mich zu einer solchen Schlussfolgerung und zu einem so destruktiven Ansatz gebracht haben und die ich zunächst einmal rein gefühlsmäßig nicht akzeptieren wollte. Erst nachdem ich die Persönlichkeit des Gründers mit den medizinischen Kriterien und Symptomatik verglichen habe, die üblicherweise in der klinischen Diagnostik angewendet werden, erschien mir die mögliche Diagnose offenkundig. Ich werde diese Analysen der Reihe nach vorlegen, und jeder möge daraus seine Schlussfolgerungen ziehen.

Aufgrund des Umfangs des Themas werden die Leser verzeihen, wenn ich etwas ausführlicher werde, wo es mit angebracht erscheint; sie werden Zeit haben, mich in dem Rhythmus zu lesen, wie es ihnen passt.

Grundlagen der Diagnose

Wohl ist es wahr, dass einige Hypothesen über mutmaßliche psychische Pathologien des Opus Dei vorgelegt wurden, von der berühmten Hemiplegie (eine Form der Epilepsie; die Epilepsie geht gewöhnlich mit einer psychiatrischen Symptomatik einher) bis zu Depressionen, wenn man über die sogenannte bipolare Störung hinweggeht. Auch der Diabetes geht mit psychologischen Beeinträchtigungen einher, aber ohne die Intensität, die sich bei Escrivá feststellen lässt. Ich werde nun beschreiben, was mir zu der Gesamtheit der beobachteten Realität am stimmigsten zu passen scheint, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung.

Bevor ich auf die Materie näher eingehe, muss ich einige allgemeine Vorbehalte machen, die eine gerechte Einordnung dessen, was ich nachher sagen werde, erleichtert. Man muss sich gegenwärtig halten, dass der Gründers eine religiös-charismatische Rolle spielt, dass seine ganze Persönlichkeit um diese Ideale kreist, und dass andererseits sein Denken durch die soziokulturelle Umwelt des Spaniens determiniert ist, in dem er geboren und in dem er zum Priester ausgebildet wurde, und dass er schließlich ab den fünfziger Jahren seinen Nutzen aus den neuen Strömungen in den Lehre über die Laien zog, die er in Rom kennen lernte, um seine Einzigartigkeit erneut zu betonen.

Diese Störung der Persönlichkeit ist generell mit einem Leben vereinbar, das in der sozialen Interaktion bis zu einem gewissen Grad normal verläuft, auch wenn die anderen sehr darunter leiden;

in jedem Fall kann man nicht unterschätzen, dass der Ausdruck seiner Persönlichkeit, sowohl in der Leitung des Opus Dei wie in seinem öffentlichen Image, sehr stark von seinen engsten Mitarbeiter kontrolliert wurde, von Álvaro del Portillo vor allem.

Um die typischen Charakteristiken des Narzissten zu beschreiben, werde ich mich des DSM-IV bedienen: Manual diagnóstico und estadístico de los trastornos mentales (“Diagnostiosch-statitisches Handbuch mentaler Störungen”), der American Psychiatric Association, die gewöhnlich von Fachleuten in dieser Materie benützt wird. Um außerdem die Begriffe hinsichtlich der Symptomatik auf eine breitere Basis zu stellen, werde ich die Kriterien von Theodore Millon anwenden, der weltweit als einer der größten Experten hinsichtlich von Persönlichkeitsstörungen gilt und auch Mitarbeiter bei DSM-IV auf diesem spezifischen Gebiet ist.

Nicht nur die neun diagnostischen Kriterien, die ich in Kursivschrift setze, sondern alle Feststellungen über den Narzissmus, auch wenn sie nicht wörtlich und in Anführungszeichen gesetzt sind, verdanken sich diesen Quellen und sind nicht vom Unterzeichneten erfunden.


Beschreibung der narzisstischen Störung José María Escribas

DSM-IV definiert die narzisstisch Persönlichkeitsstörung als ein allgemeines Muster der Großartigkeit (in der Fantasie oder im Verhalten), die Notwendigkeit, sich bewundern zu lassen und ein Fehlen von Empathie, die am Beginn des Erwachsenenalters ihren Anfang nehmen und die sich in unterschiedlichen Zusammenhängen in den folgenden fünf (oder mehr) Kennzeichen äußern:

Grandiose Auffassung der eigenen Wichtigkeit

Der Narziss: 1. hat eine grandiose Auffassung der eigenen Wichtigkeit: so übertreibt er etwa die Erfolge und Fähigkeiten, hofft als überlegen anerkannt zu werden, allerdings ohne tatsächlich entsprechende Erfolge zu erbringen.

Diese erste Charakteristik, die den Kernbereich des Narzissten trifft, passt meiner Ansicht nach perfekt in das Profil des Gründers des Opus Dei. Wie entsteht diese Auffassung der eigenen Wichtigkeit und Größe? Schon von klein auf ist er von seiner Mutter als von Gott “auserwählt” betrachtet worden, dann versicherte er, dass er auf wunderbare Weise von einer tödlichen Krankheit geheilt wurde, als ihm der Arzt kaum noch ein paar Stunden zu leben gab — Welche Pläne wird Gott mit diesem Kind haben, da er es in der Welt gelassen hat?, sagte seine Mutter. Seine Eltern unternahmen eine Wallfahrt nach Torreciudad, um für das Wunder zu danken, dass auf Fürsprache der heiligen Jungfrau bewirkt worden war.

Alles in seiner Existenz trägt charakteristische Merkmale, die über das Gewöhnliche hinausgehen und ihn “außerordentlich” machen. Seine göttliche Auserwählung, um das Opus Dei zu gründen — das dem Empfinden Escrivás nach das Größte ist, das in der Geschichte der Kirche je geschehen ist — führt in die kleine Gruppe der ganz Großen der Menschheit ein: So hat er sich immer selbst eingeschätzt. In seinem Leben wiederholen sich die großen Taten und Wunder, die in einer bestimmten Literatur des Siglo de Oro in Heiligenbiografien auftauchen, die er in seiner Jugend sicher gelesen hat. es scheint, als ob diese Lektüre seine Mentalität disponiert hätte. Er zitierte einige Zeugnisse, die zeigten, bis zu welchen Grad er sich für etwas Besonderes hielt, aber in Maßstäben, die mir pathologisch erscheinen.

“Von den Anfängen an forderte Escrivá, dass unter den Anhängern des Opus Dei ein wahrhaft idolatrischer Kult um seine Person getrieben wird”, heißt es in der “Unterstützungserklärung für Maria Angustias Moreno” (Text einer Unterstützungserklärung für die Autorin von „Opus Dei – Anmerkung zu einer Geschichte“, die nach der Veröffentlichung dieses Buches in Spanien Ziel einer diffamierenden Kampagne durch Priester des Werkes wurde; unterzeichnet haben diese Solidaritätsadresse Ana Maria Calzada Jiménez, Nuria Passola Palmada, M. Luisa Pericot Raurich, Montserrat Codina Francisco, M. Rosa Garrido Adán, Enrique Sopena, Pilar Navarro Rubio, Begoña Escoriaza, M. Jesús Hereza, Alberto Moncada, Isabel de Armas Serra, Soledad Sáez de Tejada, Concha Fagoaga, M. Luisa Vidal, Paloma Saavedra, Eloisa Porras García, Lola Heredia Herrera, Cristina Alcántara Martínez, Mercedes Alegre Villegas, Sol Castillo Jiménez, Rosa Quintana Zaragoza, Nati Paño Asuero und M. Teresa Vázquez Parladé. Der Text ist zugänglich unter Carta de apoyo a María Angustias Moreno.), die in der Zeitschrift “El Diario de Barcelona“ im Jänner 1977 erschien und auch in dem Band „Escrivá de Balaguer ¿Mito o Santo?“ („E. d. B. – Mythos oder Heiliger?“), Madrid 1992, S. 267-68 abgedruckt wurde. “Aber es handelte sich nicht, wie Jesús Infante versichert ( „El santo fundador del Opus Dei“ („Der heilige Gründer des Opus Dei“),Barcelona 2002, Kap. 9 (Último_período_en_la_vida_del_fundador)), um die besonnene menschliche Bewunderung, die dem Gründer eines Ordens oder einer religiösen Kongregation zusteht, sondern sie ein regelrechter idolatrischer Kult war, als wäre das Opus Dei eine Sekte, die die Anbetung ihres Gründers als eines Idols betrieb. Es handelte sich um einen Kult, der in seinen Ausmaßen durchaus mit dem der faschistischen Regimes im Europa der dreißiger Jahre vergleichbar ist. Diese heidnische Verehrung des Gründers breitete sich innerhalb des Opus Dei aus und erreichte Aspekte, die für eine Organisation, die sich selbst katholisch nennt, im höchsten Maß tadelnswert erscheint, in der alles um die Gestalt Escrivás kreiste, den man „per antonomasian“ auch den „Vater“ und „Gründer“ nennen konnte.

Diese Sätze aus dem erwähnten Buch von Jesús Infante beschreiben vollkommen den zentralen Aspekt des ersten narzisstischen Symptoms Escrivás. Er hatte seine Nachahmer leicht davon überzeugt, dass er ein lebender „Heiliger“ sei und dass Gott ihn als Werkzeug für die Rettung der Welt auserwählt hatte, „obwohl er ein großer Sünder war“, wie er zu sagen pflegte. Merkwürdigerweise lernten in Kinder in den kommunistisch beherrschten Staaten, in denen die Sowjets das Erlernen der russischen Sprache lernten, in den Schule, dass sie Stalin immer als unseren Vater Stalin ansprechen sollten.

Escrivá hatte das Selbstbewusstsein eines charismatischen Führers und einer gleichsam messianischen Gestalt. In diesem Sinn mutet die Anmaßung ein wenig seltsam an, dass er eine Gründung geschaffen habe, die die der Kirche nachahmt: Er spricht von den erstem zwölf, vom Verräter oder den Verrätern, er nennt Álvaro saxum — den Felsen — und er sagt und schreibt, dass nicht ein Mensch sich das Opus Dei ausgedacht habe etc. Die Existenz von angeblich übernatürlichen Außergewöhnlichkeiten, die aufgrund des „Gründungsgeistes“ nicht dokumentiert werden, umgeben ihn mit einer Aura, die niemals aufgehellt wurde und die auch ein Zeichen dafür sind, wie die Wirklichkeit anders aufgefasst wurde, verändert von diesem Gedanken an Großartigkeit: Sotto voce sprach er von Marien- und Engelserscheinungen, der Geschichte vom „räudigen Esel“ , von der Rose von Rialp, eigenartigen Todesfällen von Menschen, die sich ihm in den Weg stellten, als eines Strafgerichtes Gottes, häufige „göttliche Einsprechungen“ etc. Wer wollte ihm da widersprechen? Dass er sich selbst als taubes und nutzloses Werkzeug empfand, kann als Ausdruck falscher Demut verstanden werden, geistliches Rotwelsch — oder vielleicht als Ausdruck dafür, wie in manchen Augenblicken seine Unsicherheit und innere Leere hervortraten. Wie man später sehen wird, ist das durchaus mit einer solchen Störung und einer grandiosen Auffassung der eigenen Wichtigkeit vereinbar.

Zu all dem gesagten passt die Gesamtheit von wohlbekannten Fakten, deren Folge, leidenschaftslos betrachtet, ziemlich eigenartig bei einer normalen Person wirkt, und wir würden es natürlich nicht bei einem priesterlichen Gründer sagen, der sich für einen Heiligen ausgibt. Ich beziehe mich auf die Frage, die schon lange abgeschlossen ist und die sich auf seine so weltlichen und eitlen Namenswechsel bezieht, den Adelstitel, die Konstruktion einer falschen Familiengeschichte, die es gestattet, vornehme Gebäude zu errichten oder zu rekonstruieren, wie das Haus seiner Familie in Barbastro, und angebliche Familiennamen zu erforschen, bis sie sich im Dunkel der Geschichte verlieren, man gestaltet Wappen und stellt sie weit und breit auf, man malt Portraits von den Mitgliedern seiner Familie (wenn die Familie nennenswert gewesen wäre, hätte es Gemälde von ihren Vornamen gegeben), und man hängt sie in allen wichtigen Zentren auf, man schreibt, kauft und verwahrt Bücher über seine Abstammung — schon zu Lebzeiten und persönlich von ihm selbst überwacht — über Orte und Dinge, die mit seiner Person zusammenhängen, man hebt alte Soutanen und Pyjamas auf, gezogene Zähne und abgeschnittene Haare, wenn er beim Friseur war, als zukünftige Reliquien. Mehr noch: er suchte um die Genehmigung von Auszeichnungen an, er umgab sich mit schreiendem Prunk, der völlig unangebracht für die Zeit und die eigenen Umstände war, er baute vornehme Gebäude und schmückte sie mit teuren, protzigen Möbeln, Plafond und Wände nach Art von Palästen mit Fresken bemalt, Kapellen mit einem solchen Luxus, dass es ein Skandal für jeden Betrachter ist, und er arbeitete auch ausführlich an Raum, in dem seine „heiligen Reste“ bis ans Ende der Geschichte verehrt werden sollten. Das ist doch ein Heiliger, der es vermag, seine Heiligkeit und seine zukünftige Verehrung vorauszusehen!

Auf derselben Linie wie die „Reliquien zu Lebzeiten“ liegen die Übertragung der Kapelle von Samaniego nach Torreciudad im Jahr 1940 und die Reproduktion des Altarbilds der Kirche von San Cosme de Burgos um es in Rom aufzuhängen. Auch die Rekonstruktion des Taufsteins in der Kathedrale von Barbastro, wo er sein erstes Sakrament empfing, ebenso wie der Erwerb der Reste der Schiffes J. J. Sister, “Zeugin” eines weiteren göttlichen Eingreifens wie beim heiligen Paulus oder dem Propheten Jona, oder sogar die „Anekdote“, dass er vorschlug, seinen Vater im Familienmausoleum von Miguel Fisac in Daimiel zu begraben, denn er ertrug es nicht, dass sein Vater nur ein bescheidenes Grab hatte. Alles das erscheint als Symptome einer großartigen Selbstüberschätzung. IN dieser Reihe kann man auch die Errichtung des Heiligtums von Torreciudad nennen, oder die Projekte von zwei oder drei weiteren marianischen Heiligtümern, obwohl die Verehrung für die Gottesmutter nur das halbe Motiv für die Errichtung ist und man dies und die Einrichtung für die Verehrung der Großartigkeit des Lebens und der Wunder des Heiligen nutzt.

All das erscheint mir höchst eigenartig bei einer spirituellen Persönlichkeit; es erscheint mir vielmehr als die Lebensbeschreibung eines Narzissten mit einen „Heiligkeitswahn“. Man lese noch einmal das Zitat des heiligen Paulus, der diesen Eifer anführt, und der Kontrast springt ins Auge: Kann sich jemand den Völkerapostel vorstellen, wie er die Welt bekehrt und zugleich von solchen Dingen abhängig ist? Oder, wenn man an andere Persönlichkeiten denkt, die uns zeitlich näher liegen, kann jemand an der Heiligkeit von Mutter Teresa von Kalkutta oder von Pío de Pietrelcina zweifeln? Kann man sich vorstellen, dass diese Heiligen von solchen Dingen abhängen?

Thedore Millon sagt von den Narzissten: “Es gefällt ihnen, dass andere ihren Taten einen übertriebenen Wert beimessen, und sie erregen sich, wenn sie nicht das Lob bekommen, das sie zu verdienen glauben”. Vielleicht pflegten sich deshalb ein Neffe Escrivás, Carlos Albás Domínguez, und andere Familienmitglieder über diesen Eifer ihres berühmten Verwandten nach Auszeichnung lustig zu machen, indem sie humoristisch anmerkten: „Marqués de Peralta, so eine hochgestochene Scheiße!“ (Vgl. C. Albás, „Declaraciones“ in der Tageszeitung “El País“, 11. Juli 1991).

Ich zitiere einen anderen Abschnitt von Jesús Infante: “Schon seit den ersten Nachkriegsjahren in Spanien, als das Opus Dei sehr wenig Geld hatte und man sich genötigt sah, beim Essen der Numerarier zu sparen, verlangte Escrivá zu seiner Verfügung einen luxuriösen Wagen, um damit in Madrid herumzufahren, „genau so groß oder größer wie die der Minister“ (vgl. Luis Carandell: „La otra cara del Beato Escrivá“- „Das andere Gesicht des Seligen Escrivá“ in der Zeitschrift „Cambio 16“ vom 16. März 1992). Escrivá rechtfertigte diese größenwahnsinnigen Eitelkeiten damit, dass er ein hervorragendes Auftreten und das Erscheinungsbild einer wichtigen Person haben müsse, denn so werde man auch seinem Werk Respekt entgegenbringen. So konnte er etwa nicht in ein einfaches Hotel gehen, sondern immer nur in ein luxuriöses, und er konnte keine billigen Manschettenknöpfe tragen, sondern goldene. Und immer wenn er Aufsehen erregte, spielte er die übernatürliche Karte aus, denn sonst wäre es nicht nach seinem Geschmack gegangen, und er beruhigte sein Gewissen damit, dass er es zum Besten des Werkes tat”. Als weiteren Beleg für dieses erste Symptom müsste man schließlich auch alles das einschließen, was sich auf die überbordende Darstellung der „Übernatürlichkeit“ des Opus Dei und das Faktum, dass sich Escrivá selbst seinen Untergebenen immer als einziger Vermittler eines ganz bestimmten göttlichen Willens präsentierte. So vermischten sich in der „abgöttischen Verehrung“ für den Gründer sein Totalitarismus und ein vorgebliches Charisma, das sich letztendlich in dem Leitsatz zusammenfassen lässt, dass jemand, der Gott liebt, stante pede das erfüllen müsse was der Gründer vorschrieb, und so unterwarf er alles im Opus Dei seinem letzten und einzigen Kriterium.

Sorge um Erfolgsfantasien

Der Narzisst: 2. ist mit fantastischen Vorstellungen grenzenlosen Erfolges beschäftigt, von imaginärer Macht, Glanz, Schönheit oder Liebe

Schon sehr früh handelte Escrivá mit der Sicherheit, dass er für eine Mission von universalem Ausmaß auserwählt worden sei. Seine Pläne waren in diesem Sinn immer grandios. Er fand sich nicht mit dem ab, was Gott durch seine Anregung bewirken könnte, sondern er pflegte Gott das tempo vorzugeben und voranzugehen. Seine Erfolgsfantasien sind tatsächlich unbegrenzt. Es genügt, sich an einige seiner Maximen zu erinnern: „die Welt umdrehen wie eine Socke“, oder über das Reich Christi: „Und ich sah Christus triumphieren…“, oder über den Einfluss in der Welt: „Du allein kannst es nicht, aber mit zusammen doch!“, als er durch die Innenstadt Londons ging, oder als er dazu aufforderte, in den Nervenzentren der Welt zu arbeiten, die Welt mit bedrucktem Papier zu überschwemmen etc. ad infinitum.

Er hat Fantasien von Großartigkeit, und zwar auch in allem, was das übernatürliche Leben und die Liebe zu Gott betrifft, weshalb man ihn in seiner Zeit als Seminarist, neben anderen Ironien, als „Rosa mystica“ – „geheimnisvolle Rose“ bezeichnete. In dem gleichen Zusammenhang lassen sich die übertriebenen körperlichen Bußübungen in den dreißiger Jahren und sein Eifer verstehen, die großen Heiligen der Geschichte nachzuahmen, denn er wollte mit seiner Sendung nicht dahinter zurückbleiben. Allerdings geht er in allen diese Fragen nicht über eine oberflächliche und rein äußerliche Nachahmung dessen hinaus, was diese Heiligen taten, ihr tiefer liegendes spirituelles Verhalten erfasste er nicht.

Die sichtbare Entwicklung des geistlichen Lebens des Gründers geht nicht über die Ebene „heroischen“ menschlichen Handelns hinaus, einer unternehmerischen Tätigkeit, die innerhalb der Kirche eine Bewegung von durchorganisierten Personen geschaffen hat, wie „ein Heer in Schlachtbereitschaft“, gleich dem, was die großen politischen Diktatoren in ihren jeweiligen Ländern um die Mitte des vorigen Jahrhunderts oder diverse sektiererische Gruppen geschaffen haben.

Und da wir von Fantasien sprechen, erscheint es mit passend, in diesem Abschnitt alles das anzuführen, was sich auf den kognitiven Aspekt des Narzissmus bezieht und was, am Beispiel Escrivás, seine ideologischen Konstrukte ebenso wie seine Art, die Institution zu leiten, erklärt. Ich gebe hier einige Beschreibungen aus dem bereits zitierten Werk von T. Millon wieder (S. 369-372):

Der kognitive Aspekt der Narzissten ist sehr interessant, denn sie spielen mit der Realität, indem sie sie verändern und die Fakten mit der Absicht neu zusammensetzen mit der Absicht, ihren Glauben zu stärken, um das Bild einer beständigen Aufwärtsentwicklung zu bieten. Die Narzissen schreiben Fabeln über sich selbst und frisieren die Geschichte, um die Geschehnisse aufzubauschen. Sie erinnern sich an die Vergangenheit so, wie sie gern hätten, dass sie gewesen sei. Mit Nachdruck und Akzentsetzung stellen sie klar, was an der Geschichte bedeutsam war, und immer mit Blickrichtung auf die aktuelle Situation. Die Rekonstruktion der Vergangenheit bietet die Grundlage für ihre aktuellen Fantasien. Die Vergangenheit wird instrumentalisiert, damit sie sich selber herausstellen können, im Gegensatz zu den Depressiven, die sie für ihre Selbstkritik verwenden. Die Fantasíe beschränkt sich nicht auf die Zukunft, sondern erstreckt sich auch auf die Vergangenheit und schafft sie neu.

Gelegentlich vermischen sie Träume von Allmacht und Züge von Paranoia, das heißt, dieser ganze Wahn erhält eine in sich geschlossene Konstruktion, dem die einen Platz in der Wirklichkeit zuweisen.

Diese Personen haben eine so lebhafte Frantasie, dass die Zukunft keinen Raum für Zufälle mehr bietet.

Die Fantasie drückt sich mit enormer Intensität aus, und zwar dermaßen, dass sie mit der Realität in Widerstreit gerät. Man erlaubt sich Freiheiten gegenüber den Fakten und gewöhnt sich daran zu lügen, um die eigenen Illusionen aufrechterhalten zu können. Sie betrügen sich selbst und bemühen sich, plausible Gründe auszuarbeiten.

Sie wenden Mechanismen der Rationalisierung und der kognitiven Regulierung in der Art an, dass sie in größerem Ausmaß als Normal subjektive Darstellungen durch illusionäre und abweichende Erinnerungen über tatsächlich geschehene Ereignisse zusammenstellen. Antriebe und Konflikte, die ihnen nicht genehm sind, werden rasch umgeformt, so weit es eben notwendig ist.

Die eigene Macht und Ehre bieten ein Schauspiel, das sich in der Fantasie immer wieder in Szene setzen muss. Der Narzisst spielt und applaudiert zur gleichen Zeit, er weist Züge eines Komödianten auf, und zwar in der Weise, dass in die Handlung nicht langeilt, so oft er sie auch wiederholt. Die Fantasie verhilft dazu, dass er sich an der Darbietung seiner selbst ergötzt.

Man weiß andererseits sehr gut, dass die Verbindung zwischen dem Narzissmus und dem Machtmissbrauch, den megalomane und charismatische Gestalten in ihren Organisationen ausüben (Sankowsky, 1995), die Wirklichkeit neu definieren mit dem Ziel, ihre Gefolgsleute bei der Stange zu halten und ihren besonderen Status beizubehalten.

Daher begründen die Narzissten, vom kognitiven Standpunkt aus, die Wirklichkeit in Träumereien und in der Fantasie. Ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind werden im Dienste ihres Rumes von diesen Fantasien neu gefärbt.

Ich wollte diese Sätze nicht kommentieren, denn sie erscheinen mir aussagekräftig genug. Es ist möglich, dass einige, nachdem sie das gelesen haben, nachgedacht und gesagt haben:“Tatsächlich, das erklärt praktisch alles”. Eine wichtige Sache, die sich erst kürzlich auf dieser Internetseite mit ausreichenden Belegen gezeigt hat, ist die historische Manipulation des „Geistes“ und eben der „Geschichte“ des Opus Dei. Und hier kann man auch die Erklärung finden, warum die Gründungsbriefe mit falschem Datum geschrieben wurden, damit sie die Geschichte von der Gegenwart her neu schreiben, ohne die Realität zu beachten: denn die Fantasie beschränkt sich nicht auf die Zukunft, sondern erstreckt sich auch auf die Vergangenheit und schafft sie neu.

[Wird fortgesetzt]


In Fällen wie dem des Gründers des Opus Dei kann man sich nur zwischen zwei Extrempositionen bewegen: Entweder man lehnt ihn völlig ab, oder man akzeptiert bedingungslos seine großartige charismatische Gestalt, die mit außerordentlichen göttlichen talenten begabt war. Ein Mittelwge ist nicht denkbar. Deshalb muss sich jeder immer die Frage stellen: Und wenn vielleicht alles nicht wahr ist, was der Gründer sagt und was seine engsten Mitarbeiter bezeugen?

Angesichts solcher Evidenz entscheide ich mich eher meiner Vernunft zu folgen als dem Glauben an die Person Escrivás oder seines Mitarbeiters Álvaro del Portillo. Man möge daran denken, dass sich Escrivá nicht nur mindestens fünf Items desl DSM-IV zuschreiben lassen — was vom Standpunkt des Psychiaters ausreichen würde, um ihm die Diagnose des Narzissten zzusprechen — sondern meiner Auffassung nach alle typischen Symptome, von denen es nicht weniger als neun gibt. Andererseits widerstrebt es mir, den „göttlichen Unsinn“ anzunahmen, dass Gott ihn auserwählt habe, um „sein Werk” zu verwirklichen, da bei seiner pathologischen Persönlichkeit das erste, was er tun würde, wäre, alles zu verzerren und Gott von der Mitte zu entfernen, die ihm zusteht. Dann, abgesehen von allen Überlegungen, ist es eine Tatsache, dass sich das Opus Dei ja offenkundig nicht den Weg der Wahrheit geht, sondern den des Fanatismus und des Integrismus, und man bemerkt hier keine aufrichtige Suche nach der Wahrheit und eine feste Anhänglichkeit an sie, sondern die Veteidufung der Gestalt ihres charsimatischen Gründers um jeden Preis, bis zu Extremen, die selbstverständlich nichts mehr mit dem zu tun haben, was die Kirche im Sinn hat. Deshalb ist diese beharrliche Abschottung gegenüber der Realität kein gutes Zeichen.

Es genügte bereits, über die Charakteristiken des Narzissten nachzudenken, und ich war über die Übereinstimmung mit den Wesenszügen Escrivás überrascht. Andere haben schon vor mir versucht, den roten Faden in der Interpretation seiner Taten zu finden. Vielleicht hätte der Gründer von sich aus fast nichts vollbringen können, denn seine Persönlichkeit, die so befremdlich war, bedeutete eine wesentliche Schwierigkeit. Aber er konnte mit besonderen Bewunderern rechnen, wie Álvaro del Portillo, die seine Schwächen milderten und ergänzten und die zu einer perfekten Symbiose mit ihm kamen. Hier liegt ein Schlüssel für seinen Erfolg, wenn man das so nennen kann. Ein anderer könnte in dem besonderen Zusammentreffen fördernder Umstände liegen, die seine Ideen ganz außerordentlich begünstigten, vor allem das soziokulturelle Umfeld der spanischen Nachkriegsjahre. Aber das sind andere Themen. Heute beschränke ich mich auf die Analyse der Persönlichkeit Escrivás, ausgehend von äußeren Anzeichen, die für uns feststehen, obwohl mir die Schwierigkeit des Unternehmens bewusst ist. Und schließlich habe ich keine bessere Erklärung gefunden, um das zu verstehen, was das Opus Dei heute ist und was in ihm geschieht, als diese Vision des Gründers in seinem ausgeprägten Krankheitsbild.

Es würde mir genügen, den eifrigen Lesern dieser Seite, die hier ja auch versuchen besser zu verstehen, was in ihrem Leben geschehen ist, etwas Licht gebracht zu haben. Ohne diesen Schluss in eine Predigt zu verwandeln, die “eine Lust zu halten und zu hören ist”, wie es Cervantes in seiner Ironie formuliert, sage ich euch, dass ihr euch nicht betrogen vorzukommen braucht, denn nicht, was für Gott und aus Liebe getan worden ist, geht verloren. Ganz im Gegenteil, die vielen oder wenigen Jahre, die ihr damit verbracht habt, zu dieser besonderen Form “kollektiven Irrsinns” beizutragen, die das Opus Dei ist, können sich in eine Läuterung verwandeln, bis hin zum inneren Wachstum eines reifen und festen spirituellen Lebens, einer echten Begegnung mit Gott.